NSA-Affäre:G10-Kommission will Regierung verklagen

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  • Die G-10-Kommission verlangt Einblick in die Spähliste des US-Geheimdienstes NSA.
  • Das Kontrollgremium des Bundestags lässt bereits Juristen prüfen, ob es deswegen vor das Bundesverfassungsgericht ziehen kann.
  • Die Bundesregierung hatte der Kommission verweigert, die Liste mit den Suchmerkmalen selbst einsehen zu dürfen.

Von Georg Mascolo und Hans Leyendecker

MünchenDie G-10-Kommission des Bundestages prüft eine Klage vor dem Verfassungsgericht, um Einsicht in die Bad Aiblinger Selektorenliste des US-Geheimdienstes NSA zu erzwingen. Zu diesem Zweck hat die Kommission nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR bereits Juristen beauftragt.

Die Bundesregierung hatte ihr verweigert, die Liste mit den Suchmerkmalen selbst einsehen zu dürfen. Auch Grüne und Linke wollen auf Einsicht in die Listen klagen. Das Kürzel G 10 steht für den Grundgesetzartikel 10, der das Fernmeldegeheimnis schützt. Ohne ein Ja der Kommission dürfen mutmaßliche Terroristen oder Waffenschieber nicht überwacht werden.

Die Bundesregierung hatte den ehemaligen Bundesrichter Kurt Graulich als Sonderbeauftragten ernannt, der vor knapp zwei Wochen mit seiner Arbeit begonnen hat. Er soll feststellen, in welchem Umfang der Bundesnachrichtendienst der NSA bei Spionage-Operationen gegen europäische Partnerländer half und ob dabei gegen Absprachen verstoßen wurde. Die Ergebnisse seiner Prüfung sollen den zuständigen Gremien zur Verfügung gestellt werden.

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Das einst gute Verhältnis gilt als gestört

Die Oppositionsabgeordneten im NSA-Ausschuss lehnen dieses Vorgehen ebenso ab wie die Mehrheit der Mitglieder in der G-10-Kommission. Man müsse die Listen selbst sehen und könne sich nicht auf einen Beauftragten verlassen, hieß es aus Kreisen der G-10-Kommission. Die Juristen sollen nun zunächst klären, ob die Kommission - ein eigenständiges Organ des Bundestages - klageberechtigt ist. Einen solchen Fall hat es noch nicht gegeben. Mit einer endgültigen Entscheidung über die Klage wird Ende August in der nächsten Sitzung der G-10-Kommission gerechnet.

Das einst gute Verhältnis zwischen Regierung, Geheimdiensten und der G-10-Kommission gilt als gestört, seit Mitglieder des Gremiums sich von der Regierung nicht vollständig informiert oder gar hintergangen fühlen. Sie klagen, sie seien in der Vergangenheit über den wahren Zweck von Überwachungsmaßnahmen nicht ausreichend informiert worden. Wegen des gestörten Verhältnisses wurde unlängst die Genehmigung einiger neuer Überwachungsmaßnahmen verzögert.

Auch deshalb wäre aus Sicht der meisten Mitglieder des geheim tagenden Gremiums jetzt ein eigener Einblick in die Selektorenliste der NSA notwendig gewesen. In einem als geheim eingestuften Brief hatte Kanzleramtsminister Peter Altmaier vor einigen Wochen die Vorsitzenden der G-10-Kommission, des NSA-Untersuchungsausschusses und des Parlamentarischen Kontrollgremiums über seine Gründe für die Verweigerung informiert.

Demnach wäre "eine Offenlegung des Selektorenprofils" der NSA ohne Zustimmung der USA ein Verstoß gegen das "geltende Völkervertragsrecht". Deutschland werde dann wohl nicht nur von den USA, sondern womöglich auch von Drittstaaten als "insgesamt als unzuverlässiger Partner angesehen", dem "besonders sensibles Material nicht mehr anvertraut werden" könne.

© SZ vom 29.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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